Die gesamte Konjunktur der österreichischen Wirtschaft, die am
Ende des 19. Jahrhunderts angefangen hat und den Gipfel in der Zeit vor
dem 1. Weltkrieg erreichte, wurde auch in Wermsdorf sichtbar, auch wenn
hier ihre Folgen nicht so gravierend waren. Die Folgerung dessen war
dann vor allem die Gründung verschiedenen ökonomischen
Vereine und Genossenschaften, die ihre Mitglieder in wirtschaftlichem
Wettbewerb begünstigt haben. Im Jahre 1897 wurde im Dorf die
"Arbeiter Konsum Gesellschaft für Wermsdorf und Umgebung"
gegründet, die ihren Mitgliedern Mengenrabatt beim Einkaufen von
Dünger, Viehfutter, Landwirtschaftlichen Maschinen geboten hat und
ihre Produkte günstiger verkaufen geholfen hat. Für
gemeinschaftliches Geld wurde dann eine Dampfdreschmaschine
angeschafft, welche dann allen Mitgliedern der Gesellschaft gedient
hatte und welche auch für ein Entgelt an Nichtmitglieder
ausgeliehen wurde. Vor dem 1. Weltkrieg war Franz Hilbert der
Vorsitzende und Johann Donig der Stellvertreter der Gesellschaft.
Anfangs der 20er Jahre wurde diese Gesellschaft in eine GmbH
umgewandelt.
Gleich im Jahre 1903 haben die Wermsdorfer im Ort eine weitere
Gesellschaft gegründet - "Spar- und Darlehenskassen Verein
für Wermsdorf bei Zöptau". Die Genossenschaftssparkasse war
als klassische Sparkasse für die Sparer aller
Gesellschaftsschichten und hat in den Räumlichkeiten des
ehemaligen Erbgerichts, Haus Nr. 86, ihren Sitz gehabt. Anfangs der
20er Jahre wurde dann auch dieser Verein zur GmbH umgewandelt und
später der Gruppe der Raiffeisenbanken als eine Niederlassung
eingereiht. Damals hatte die Sparkasse ihren Sitz unweit des
Gemeindeamtes im Haus Nr. 56.
Die Konjunktur hatte ihre Auswirkungen auch bei den kleineren Betrieben
und Gewerben, durch das Wachstum ihrer Produktion gezeigt. Im Dorf, das
direkt im Herzen der Wälder des Altvatergebirges liegt, hat
traditionell der unternehmerische Zweig für Holzbearbeitung eine
bedeutende Rolle gespielt. Die alte herrschaftliche
Brettsägemühle, Haus Nr. 41, hat am Anfang des 20.
Jahrhunderts Johann Weiser betrieben, der dann schon 1899 der
Bezirkshauptmannschaft in Schönberg seine Absicht, eine neue
Kreissäge zur Schindelherstellung in Betrieb zu nehmen,
angekündigt hat. Einen weiteren Handel mit Holz hat zu dieser Zeit
auch Josef Schnaubelt betrieben. Ende des 19. Jahrhunderts ist
praktisch die Schindelmanufaktur und Gerberei, Haus Nr. 175 (ehemaliges
Hammerwerk), zugrunde gegangen. Weil es nicht in Stand gehalten wurde,
ist dieses Holzhaus bei einem Gewitter 1908 zusammengefallen. Die
erloschene Betriebsanlage mit dem erhaltenen Wasserwerk hat dann Josef
Krist aus Reitendorf gekauft, und in Einbindung an das
Produktionsprogramm der Reitendorfer Glaswerke, hatte er hier ein
Betrieb zur Holzwolleherstellung errichtet, und diese hat dann als
Verpackungsmaterial für zerbrechliche Waren, vor allem Glaswaren,
gedient. Er hat auch eine Turbine zur Stromherstellung gebaut. Wo dann
Josef Krist im Jahre 1911 gestorben ist, haben seine Erben die
Manufaktur an verschiedene Interessenten vermietet. Im Jahre 1917 haben
den Betrieb die Gebrüder Josef und Fridolin Maier aus Zuckmantel
erworben, die dann die Herstellung der Holzwolle erneuert hatten und im
Jahre 1918 hatten sie die Manufaktur noch um ein Sägewerk mit
einer Dampflokomobile erweitert, die später die Anlage zur
Holzwolleherstellung angetrieben hat. Bei der Rekonstruktion des
Wasserwerkes der Produktionsstätte wurde das Sammelbecken, das an
das Oberwassergerinne angeschlossen wurde, erweitert. Die Gebrüder
Maier haben auch Großhandel mit Holz und Holzwaren betrieben.
Von den größeren Betrieben war hier am Anfang des 20.
Jahrhunderts auch die Papiermanufaktur tätig, die zu der Firma
Anton J. Schmidt's Söhne in Groß Ullersdorf gehörte.
Die hat hier seit 1882, genauso wie im Mutterbetrieb in Ullersdorf,
verschiedenen Arten Büttenpapier produziert und auch eine Weberei
betrieben. Die Weberei wurde allerdings im Jahre 1911 abgeschafft.
Außer diesen größeren Betrieben waren in Wermsdorf im
Jahre 1911 viele kleinere Betriebe registriert. Z.B. waren hier 5
Gaststätten - Fa. Karl Bernt, Fa. Edmund Giller, der
außerdem noch eine Fleischerei betrieben hatte, Fa. Anton
Kriegisch, Fa. Josef Michme, Fa. Felix Tinz, der auch noch mit Holz,
Vieh und Landwirtschaftlichen Erzeugnissen gehandelt hatte und Fa.
Johann Werner in Siebenhöfen, der auch Tabakwaren verkauft hatte.
Außerdem haben hier auch die Tischler Haunschild und Sedlatschek
(Fa. Haunschild hat im Jahre 1884 den Nebenaltar in der Wermsdorfer
Kirche hergestellt), der Drechsler Jirsching, der Fleischer Lang, der
Dachdecker Nitsche, die Schuster Donig und Klapper,
Gemischtwarenhändler Wirth, Lebensmittelhändler Stanzel, die
Betreiber der Bier- und Schnapszapfstellen Frau Krist, Pfeifer und
Störk (Freiheitsberg), das Bekleidungsgeschäft Christ, der
Viehhändler Hladil, die Müller Hrdina und Schwarzer, die
Schneider Babischta und Köhler, die Schmiede Göttlicher und
Kurz und der Wagner Tinz. Im Dorf war auch eine Hebamme tätig, zu
der Zeit war es die Cäcilie Lass. Es gab hier auch
öffentliche Einrichtungen, wie z.B. Armenherberge, Schule mit drei
Klassenzimmern und die römisch-katholische Pfarrkirche.
Zusammen mit dem ökonomischen Wachstum kam auch zum kulturellen
und Gesellschaftlichen Aufschwung der Dorfgemeinschaft, die im
Zusammenhang mit der Entstehung der kulturellen, sportlichen und auch
politischen Organisationen und Vereinen stand. Schon im Jahre 1882
wurde in Wermsdorf die Freiwillige Feuerwehr zum Schutz der
Bevölkerung vor häufigen Bränden gegründet. Nach
und nach wurde der Einsatz auch um kulturelle Tätigkeit erweitert.
Die Feuerwehr wurde eins von den prestigeträchtigsten und
beliebtesten Vereinen im Dorf, der nicht nur beim Feuerlöschen und
bei Übungen zu diesem Zweck tätig war, sondern der auch viele
Volksfeste und Tanzabende im Dorf organisiert hat. Die erste
Wermsdorfer Feuerwehr hat bei ihrer Gründung über 2
Handspritzen verfügt und sie war in 3 Einsatzkommandos geteilt. Im
Jahre 1891 wurde auf Gemeindekosten in der Nähe der Kirche ein
kleines Spritzenhaus mit einem Holzturm zum Schlauchtrocknen errichtet.
Später wurde noch ein Spritzenhaus im Niederdorf gebaut.
Anfangs des 20 Jahrhunderts waren hier noch weitere Vereine tätig
- es ist der so genannter "Schulkreuzverein" aufgeführt, was
womöglich so was Ähnliches wie der heutige Elternbeirat war.
In dieser Zeit haben die Vereine auch reiche Bewohner und Mäzene
aus der Umgebung vereint, die dann mit Sach- und Geldgeschenken zum
Schulbetrieb und zur Pflege der Kinder aus armen Familien beigetragen
haben. Im Jahre 1901 war hier eine Zweigstelle der Deutschen
Nationalorganisation der "Bund der Deutschen Nordmährens"
entstanden. Es ist schon interessant, dass es zu der Zeit des
Aufschwungs des deutschen nationalföderativen Lebens in
Nordmähren, in Wermsdorf nicht (mindestens den überlieferten
Quellen nach) zur Gründung eines Deutschen Turnvereins kam.